Sigurjon "Joni" Sighvatsson, Inhaber der Outdoor-Marke 66°North im Interview
Geradewegs den Wellen entgegen
Sigurjon »Joni« Sighvatsson ist Hollywood-Produzent und Inhaber der isländischen Outdoor-Marke 66° North. Ein Gespräch über sturmfeste Fischer und schwankende Euro-Länder Herr Sighvatsson, Sie telefonieren gerade von einem dänischen Handy aus. Suchen Sie in Skandinavien nach einer neuen OutdoorFirma oder nach einem neuen Drehbuch?
Ich treffe mich hier mit Kollegen, weil ich den Bestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson verfilmen will. Ende 2012 geht´s los.
Sie haben in Hollywood schon mehr als 40 Filme produziert. Wie kamen Sie bloß auf die Idee, eine Outdoor-Marke zu kaufen?
An der Unterhosenfirma Joe Boxer war ich auch schon mal beteiligt. Als ich nach längerer Zeit in den USA wieder nach Island reiste, fiel mir plötzlich das Potenzial von 66° North ins Auge. Die Firma hat ja eine lange Tradition, ist mit 86 Jahren Islands ältester Hersteller für funktionale Schutzbekleidung für Seeleute. Mein Vater und mein Großvater waren Fischer, ich bin mit diesen Jacken und Hosen aufgewachsen. Ich hatte einfach Lust, die
Marke mit meinem Unternehmergeist und meiner künstlerischen Ader zu unterstützen.
Sie arbeiten und reisen sehr viel. Haben Sie überhaupt Zeit, draußen zu sein?
An der frischen Luft bin ich trotzdem, so oft es geht. Ich liebe die Natur, wandere gern und fahre seit 30 Jahren Ski. Aber bin kein totaler Outdoor-Sport-Fanatiker. Die Praxistests der Neuentwicklungen, die überlasse ich lieber den Fischern und Bergsteigern auf Island. Die Insel ist mit ihren extremen Wetterbedingungen das ideale natürliche Testlabor.
Island erlebt ja nicht nur meteorologisch, sondern auch wirtschaftlich ziemliche Extreme. Die Insel stand 2008 kurz vor einem Staatsbankrott – und hat sich relativ schnell erholt. Wie hat denn die Bevölkerung den wirtschaftlichen Zusammenbruch verkraftet?
Dass er die Mentalität der Isländer grundlegend verändert hat, glaube ich nicht. Wir sind dieselben, seit Tausenden von Jahren. Der Kampf ums Überleben ist für uns
ein ganz alltägliches Thema, so was erschüttert uns nicht.
Wie meinen Sie das?
Ein Großteil von uns hat schon immer von der Fischerei gelebt, das ist auch heute noch so. Jeder normale Arbeitstag auf dem Meer ist wegen der Wetterbedingungen weitaus lebensbedrohlicher als eine Wirtschaftskrise. Eine Rezession kommt und geht, du verlierst dein Auto, vielleicht dein Haus – aber du stirbst nicht daran. So was ist für uns kein Grund zur Panik. Umzufallen und wieder aufzustehen, das bringt unsere Identität nicht ins Wanken.
Wenn die Isländer wirtschaftlich geschwächten Nationen wie Griechenland, Spanien oder Italien einen Rat geben sollten, wie würde der lauten?
In der Sprache der Fischer: Seht den Sturm kommen und nehmt ihn ernst. Dreht das Schiff nicht hektisch hin und
her, um irgendwie zu flüchten, sonst werdet ihr erst recht versinken. Bereitet euch gut vor und fahrt geradewegs den Wellen entgegen. Und glaubt fest daran, dass ihr es schaffen könnt!